Anlässlich des 100jährigen Bestehens der Einrichtung und des Sozialdienstes katholischer Frauen in Wiesbaden hat die Historikerin Frau Dr. Hedwig Brüchert nach umfangreicher Recherche eine Schrift erstellt, in welcher insbesondere die Ereignisse in der Zeit von der Gründung bis in die 60er Jahre ausführlich beschrieben werden.
Mathilde Grossmann, Julie Matuschka-Greifenklau und Anna Schipper gründen in Wiesbaden am 27.12.1906 den "Fürsorgeverein Johannesstift". Er hat die Aufgabe, sich um "gefallene Mädchen" und weibliche Strafgefangene zu kümmern.
Mathilde Grossmann schenkt dem Fürsorgeverein das Gebäude Platter Str. 78. Im Oktober wird das Haus vom Bischof von Limburg geweiht und wird seitdem seiner Bestimmung gemäß unter dem Namen Johannesstift genutzt.
Die Hiltruper Missionschwestern lösten den Vorgängerorden in der Verantwortung ab. Während des zweiten Weltkrieges sah sich das Johannesstift, wie andere konfessionelle Einrichtungen und Dienste auch, Beschränkungen durch die nationalsozialistischen Machthaber ausgesetzt. Das Gebäude wurde durch Bombeneinschlag zerstört. Die fachliche Kompetenz der Ordensschwestern wurde für Entbindungen und Sanitätsdienste benötigt. Das Johannesstift wurde auf Bitten der damaligen Machthaber zum Hilfskrankenhaus. Wahrscheinlich verhinderte das Entgegenkommen der Schwestern die Beschlagnahmung und Nutzung als Säuglings- und Mütterheim durch die NSV (Nationalsozialistische Volksfürsorge), dem Wohlfahrtsverband der NSDAP.
Das Gebäude wurde saniert, ein Anbau geschaffen, die Küche erweitert, Mitarbeiterinnen eingestellt und ehrenamtliche Helferinnen gewonnen. In alten Unterlagen fanden sich zwei vergleichende Statistiken:
1950 | 1957 | |
Säuglinge | 138 | 180 |
Pflegeschülerinnen | 24 | 35 |
Betten Entbindungsstation | 8 | 12 |
Vorasyl | 7 | 10 |
Erziehungsheim | 90 | 85 |
Angestellte | 8 | 15 |
Ordensschwestern | 24 | 24 |
An der Pforte des Hauses wurden täglich 40-50 Nichtsesshafte verköstigt |
Die Wochenstation wurde wegen mangelnder Auslastung geschlossen (40% Geburtenrückgang in Wiesbaden).
Der Träger berief ein Leitungsteam (Hauswirtschaftsleitung, Verwaltungsleitung, Psychologische Leitung und Heimleitung).
Erster weltlicher Gesamtleiter des Johannesstiftes wurde Dipl.-Psychologe Simon Tull. Sein Primärziel, der zeitgemäße Erweiterungsbau für die Erziehungshilfegruppen, ließ sich aus finanziellen Gründen nicht realisieren.
Nachdem Herr Tull die Einrichtung verlassen hatte, um sich einer anderen Aufgabe zu widmen, wurde dem seit März 1980 im Johannesstift wirkenden Erziehungsleiter Wolfgang Schmidt die Gesamtleitung übertragen. Durch den Verkauf eines Teiles des 10.000 qm großen Grundstücks verfügte der Sozialdienst katholischer Frauen, Ortsgruppe Wiesbaden e.V. über die notwendigen finanziellen Mittel, seine in die Jahre gekommenen Gebäude zu sanieren, die brachliegenden Berufsausbildungsbetriebe zu reaktivieren und die Dezentralisierung der Erziehungshilfe durch Anmietung und Erwerb von Gebäuden in Wiesbadener Stadtteilen voranzutreiben. Die Einrichtung trägt seitdem den programmatischen Namen "Jugendhilfezentrum Johannesstift"
Großbrand im Johannesstift. Während der auf Hochtouren laufenden Sanierungsarbeiten fällt nachts in einem noch nicht ausreichend feuergeschützten Wohnbereich eine Kerze um und zerstört die gesamte Etage. Glücklicherweise wird niemand ernsthaft verletzt. Die Jugendlichen werden im ehemaligen Speiseraum notuntergebracht. Nach viermonatiger Renovierungstätigkeit kann der nun modernsten Ansprüchen gerecht werdende Gruppenbereich wieder bewohnt werden.
Träger des Jugendhilfezentrums Johannesstift wird die neu gegründete WJHG (Wiesbadener Jugendhilfegesellschaft mbH), deren Stammkapital der Sozialdienst katholischer Frauen und der Caritasverband Wiesbaden zu je 50% halten.
Große Hilfsaktion im Rehabilitationszentrum NADESHDA, in der Nähe von Minsk, Weißrussland. Für die strahlenkranken Kinder der Tschernobylkatastrophe wird mit Hilfe der Ausbildungsbetriebe des Johannesstiftes ein ehemaliges Erholungsheim umgebaut.
Die Einrichtung verfügt über 126 entgeltfinanzierte Plätze:
50 zur Durchführung Sozialpädagogische Hilfen (unterschiedliche Formen und Intensitäten der Hilfegewährung), 12 pädagogische Mutter/Vater-Kind-Einheiten, 16 in der Schule für Erziehungshilfe und Kranke, 48 in Berufsvorbereitung und Ausbildung.
Zusammen mit der Gewährung von "Hilfe zur Arbeit" nach §19 BSHG werden 170-180 Menschen von den Fachkräften der Einrichtung assistiert und gefördert.
Nach Abspaltung eines Betriebsteils wird der SkF alleiniger Gesellschafter der WJHG. Die Gesellschaft wird unter dem Namen "Jugendhilfezentrum Johannesstift" fortgeführt.
Nach Einführung des Sozialgesetzbuches II werden im Johannesstift in Umsetzung der sogenannten "Hartz-Gesetzgebung" 50 Plätze für qualifizierende Beschäftigung zur Verfügung gestellt.
Änderung in der Geschäftsführung.
Geschäftsführer Wolfgang Schmidt begibt sich in Altersteilzeit. Für die ausscheidende Geschäftsführerin Erika Nehrkorn wird Ralf Gisi zum Geschäftsführer ernannt.